Das Thema „Sprengung“ ist unter ambitionierten Läufern immer wieder heiß diskutiert – wie auch der Begriff des Natural Running. Sehr viele Läufer kaufen Schuhe aber auch nach Style und Image oder gar nach Preis ohne sich vorher darüber zu informieren. Das kann klappen – oder auch zu schwerwiegenden Problemen führen.
Wir alle fangen mit Sprengung 0 an, nämlich mit der Geburt und dem was wir „natürliches Laufen“ nennen. Der Höhenunterschied zwischen Zehen/Vorfuß und Ferse liegt bei 0mm und somit auf dem gleichen Niveau. Die meisten Laufschuhe (und auch alle anderen Schuhe) weisen dagegen eine mehr oder minder große Sprengung auf. Damit wird die Ferse um einige Millimeter angehoben, der Sehnenapparat etwas entlastet, das Abrollen verringert, der Körper auch minimal in Vorwärtsrichtung geneigt. Das klingt für einen Lauf irgendwie gut, oder?
Damit entfernen wir uns jedoch von der natürlichen Haltung und zwingen den Körper in eine neue Haltung mit einer anderen Statik, an die er sich auch schnell gewöhnt. Die Verkürzung der Muskulatur in der Wade ist ein Resultat daraus, denn der Fuß setzt systembedingt weiter hinten auf – so wie man es auch beim Gehen tut. Nur sind Gehen und Laufen zwei vollkommen unterschiedliche „Paar Schuhe“ und teilen sich bestenfalls die ausführende Extremität – den Fuß nämlich.
Sind des Weiteren kleine Zehenboxen im Spiel, die den Zehen beim Abdrücken kaum Raum lassen, wird auch diese Muskulatur sich zurückentwickeln. Umso höher übrigens der Drop, desto weniger sind die Zehen gefordert. Einen Artikel zum Thema Zehenbox findest Du übrigens hier.
Viele Läufer kommen früher oder später an einen Punkt, an dem trotz großem Trainingsumfang Stillstand eingetreten ist oder Probleme mit Muskulatur oder Sehnen den Lauf beeinträchtigen. Jetzt wird nach alternativen Möglichkeiten gesucht. Natural Running ist so eine Lösung, denn sie führt den Läufer wieder zurück zur Basis. Was ist nun Natural Running und warum wollen so viele Läufer nur noch natürlich Laufen? Eine Einführung…
Die Philosophie des Natural Running
Heutzutage hat so gut wie jede Marke auch eine Natural Running-Serie im Programm, der Markt boomt gewaltig und das auch bei den ganz großen Marken, die dennoch ihr Hauptgeschäft mit den klassischen und biomechanisch anders konzipierten Modellen machen. Der ganz große Teil der auf dem Weltmarkt verkauften Laufschuhe wird übrigens, unabhängig von ihrer Konzeption, gar nicht für das „Rennen“ benutzt, sondern (wenn überhaupt) für das Joggen. und das ist dem Gehen näher als dem schnellen Laufen.
Doch wie schon im letzten Kapitel angemerkt, fast jeder Läufer erreicht irgendwann einen Punkt an dem er sich fragt, ob ein aktuelles Problem möglicherweise etwas mit dem Laufstil oder/und den Schuhen zu tun hat. Das „natürliche Laufen“ wird zur Thematik und dies inbesondere bei den Läufern, die ambitioniert Laufen, an Wettkämpfen teilnehmen und sich nicht als Jogger verstehen.
Einen guten Schuh, gemäß der Natural Running Philosophie, definiert man heute nach fünf Kriterien:
- Gewicht – denn jedes unnötige Gramm am Fuß verändert den Lauf, vor allem über längere Strecken
- Belüftung – ein Wärmestau am Fuß führt zu einer größeren Expansion und zum Schwitzen, was weitere Probleme mit sich führt – Blasenbildung zum Beispiel
- Flexibilität – fehlender Flex am Vorfuß bedingt ein unvorteilhaftes Abrollen und höheren Kraftaufwand. Die Grenzregion zwischen Zehenbox und Mittelfuß spielt daher eine Schlüsselrolle im Schuhdesign und stellt das Verbindungsglied zwischen einem weichen Vorfuß und einen härteren Mittelfuß und Ferse dar.
- flacher Aufbau mit leistungsfähiger Dämpfung – je nach Einsatzzweck und Läufergewicht sowie Fuß(fehl)stellung haben Natural Running Schuhe verhältnismäßig wenig Dämpfung. Dämpfung da wo man sie braucht, den Rest richtet in der Regel der Fuß mit Sehnen, Bändern und Muskulatur selbst
- wenig Sprengung – und darum geht es in diesem Post
Natural Running ist auch immer eine Frage der Interpretation, wie ausgeprägt ein Hersteller diese einzelnen Anforderungen für seine Modelle definiert und in Folge produziert. Nicht jeder Laufschuh der unter der Flagge des „Natural Running“ segelt, wird dem ursprünglichen Gedanken gerecht.
Hersteller wie Topo, die sich der Philosophie voll verschreiben und einen Schuh ganz bewusst biomechanisch und je nach Modell nah bis sehr nah an das natürlich Laufen konzipieren, beherzigen die Grundregeln jedoch vollumfänglich.
Unterschiedlich hohe Sprengung – warum?
An dieser Stelle dürfte nun die Frage aufkommen: Warum gibt es dann auch bei den Natural Running Anbietern wie Topo unterschiedliche Drops? Wer von einem klassischen Laufschuh mit spitzer Zehenbox und hohem Drop auf einen modernen Laufschuh mit großer Zehenbox und geringem oder gar Zero-Drop umsteigt, benötigt Zeit für die Umstellung.
Beim Umstieg von einem Laufschuh mit bspw. 10mm Drop zu einem Modell mit 5, 3 oder 0mm Drop wird durch die veränderte und natürlichere Biomechanik auch wieder Muskulatur beansprucht, Sehnen und Bänder etwas verstärkt trainiert und genutzt. Dies passiert nicht nur abwärts der Hüfte, sondern auch am Oberkörper, der bei der Fortbewegung gerade beim schnellen Laufen eine ganze wesentliche Rolle spielt. Dies benötigt ein wenig Zeit für die Adaption und legitimiert Modelle mit geringen Sprengungshöhen. Viele Läufer bevorzugen Schuhe mit einer geringen Sprengung, möchten aber nicht zu 0 mm (Zero Drop) wechseln. Auch das ist ist nachvollziehbar und hat seine Berechtigung.
Die Adaption – Annäherung an den Zero Drop
Was in Sachen Adaptionsphase und „Anlernen des Körpers“ auf den ersten Blick negativ anmutet und zunächst eventuell auch mit ein wenig Muskelkater einhergeht, hat praktische Vorteile für den gesamten Körper. Das so wieder näher an die ursprüngliche Bewegungsdynamik herangerückte System verhindert in Folge effektiv Disbalancen und unnatürliche Ausgleichsbewegungen.
Davon sind übrigens meist nicht nur die Füße betroffen, sondern auch Knie, Hüfte und vor allem der Oberkörper bis hin zum Schultergürtel. Das ab Ende der Wachstumsperiode gefundene Idealsystem des Menschen ist wieder im Gleichgewicht und braucht im Regelfall (Ausnahmen sind z.B. ausgeprägte Fußfehlstellungen) auch keine unterbewussten Korrekturen. Auch die Achillessehne ist ein echter Gewinner.
Die beim Laufen benötigte Fortbewegungsdynamik ist eine weitestgehend intuitive und basiert auf einem mehr oder weniger effizienten Ausbalancieren der Statik zwischen Oberkörper, Rumpf und Füßen. Eine trainierte Muskulatur hat mit Sehnen und Bändern einen hervorragenden Stützapparat, interagiert dabei mit der gesamten Körperspannung und benötigt somit die überhöhte Ferse eines klassischen Laufschuhs nicht. Sie funktioniert am besten im Ausgangszustand: Natural Running eben.
Hat so ein Natural Running-Schuh denn nun weniger Dämpfung?
Das hängt vom Einsatzzweck ab, an der Priorisierung ändert sich nichts. Der Natural Running Läufer wird systembedingt zum Vorfuß-bis Mittelfußläufer, er setzt also frontlastig auf und drückt sich auch effektiver mit den Zehen wieder ab. Je nach Untergrund benötigt ein solcher Schuh auf harten Böden wie Asphalt etwas mehr Dämpfung als bei einem Schuh für weichere Böden. Ein Trailschuh benötigt folgerichtig eine gute Balance aus Bodenfeedback und Dämpfung. Steine sollen sich nicht zu stark durchdrücken, es muss aber eine gute Kontrolle und Traktion auf rutschigen Untergründen bleiben.
Der Fuß bietet an sich ein gutes Eigenmaß an Dämpfung, wenn er naturgemäß benutzt wird. Natural Running macht sich dies zunutze und kann entsprechend mit etwas weniger Dämpfung auskommen. Das reduziert parallel dazu die Aufbauhöhe, das Gewicht und verbessert zudem den Flex, gerade am Vorfuß. An diesem Beispiel ist perfekt zu erkennen, wie gut die einzelnen Komponenten eines Natural Running-Schuhs ineinander greifen und noch viel mehr, wie präzise die Evolution den Fuß bis zum heutigen Tage geformt hat. Wenn man ihr die Chance dafür gibt…
Jetzt umsteigen auf einen Schuh mit geringer Sprengung?
Die klare Antwort lautet: Ja! Probier es aus – am besten mit einem Modell zwischen dem Drop des jetzigen Schuhs und der magischen Null. Hochwertige Laufschuhe, bei denen auch jenseits der Philosophie alles stimmt, wie bei Topo Athletic, überzeugen bei fast allen Läufern schon im Geschäft und nicht erst auf der heimischen Laufstrecke.
Hoher Komfort, viel Freiraum für die Zehen und das nicht erst beim Abdrücken vom Boden, tolle Passform und leichte, per Ultraschall verschweißte, Materialien sowie ein gut führender Leisten sind sofort erfahrbar. Wer bereits einige Kilometer mit einem guten Natural Running-Laufschuh gesammelt hat und die Adaption im wahrsten Sinne des Wortes durchlief, wechselt im Regelfall nicht mehr zum Klassiker zurück.